Seit Mitte 2013 gibt es hier, auf midesign, jeden Montag ein Zitat zum Wochenstart. Dieses muss natürlich gesucht und gefunden werden und zu Beginn ist es mir ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen. Doch nach ein paar Monaten begann ich mich zu wundern: Wenn man nach Zitaten im Internet sucht, findet man zu geschätzten 75-80% nur Zitate von Männern …?
Warum findet man so wenige Zitate von Frauen?
Haben Frauen in all den Jahren so wenig Kluges, Bemerkenswertes, Originelles gesagt?
Das kann ich nicht wirklich glauben und daher habe ich mich auf die Suche gemacht. Das Phänomen scheint ein Überbleibsel aus präemanzipatorischen Zeiten zu sein. Zwar gab es auch vor der Emanzipation Frauen, die Bücher schrieben, durch kluge Aussagen auffielen und als historische Persönlichkeiten mit ein paar Sagern in die Geschichte eingingen. Doch da die Zeiten damals so waren, wie sie nun mal waren, war diese mediale und historische Aufmerksamkeit nur wenigen Damen vergönnt und entsprechend zitierenswerte Phrasen von Frauen wurden kaum überliefert.
In einer Buchhandlung fiel mir dann ein kalenderartiger Aufsteller auf: Kluge Frauen, die unsere Welt bewegten – über 300 Zitate nur von Frauen, zu allen Bereichen, Themen, Motiven. Es hat zwar etwas seltsames, wenn man solcherart auf einen Mangel im Zitatbereich hingewiesen wird. Aber besser eine späte Erkenntnis als ewige Finsternis.
Meine Reaktion: Das muss man (und Frau) ändern.
Ich bin nun nicht unbedingt eine Freundin der krampfhaften Genderkommunikation. Das Binnen-I tut mir persönlich beim Lesen mehr weh, als es meine weibliche Seite zu stärken vermag. Ich hoffe nicht, dass die Gleichberechtigung alleine an diesem einen Buchstaben und seinen Wort-Kumpaninnen hängt. Jemanden personen- und geschlechterbezogen mit der richtigen Berufsbezeichnung (Reporterin, Pfleger, Ärztin, Lehrer …) anzureden, sollte grundlegende Höflichkeit sein. Einen Text, der sich auf beide Geschlechter gleichermaßen bezieht und nicht neutral formuliert werden kann, mit Wort-Krücken aufzuweiten, so dass der Lesefluss empfindlich gestört wird, kann nicht wirklich Sinn der Sache sein.
Abgesehen davon schwingt man das Pendel damit nur in die andere Richtung, wenn nun primär nur die weiblichen Wortformen verwendet werden. Aber das ist jedermanns und jederfraus persönliche Einstellung – man möge mir die meine hier verzeihen oder nachsehen.
Doch Gleichberechtigung in der Kommunikation ist mehr als nur das Aneinanderreihen von Buchstaben. Auch das Überliefern und Erinnern von Texten, Inhalten, Aussagen ist ein Teil davon. Wenn nur Zitate von Männern weitergegeben und archiviert werden, dann verlieren wir gut 50% eines kostbaren Zitateschatzes – nämlich die Worte der Frauen. Auch das ist eine Form von Genderkommunikation und man kann sie ganz ohne grammatikalische Beugung leicht erreichen. Einfach indem man genauso viele weibliche wie männliche Zitate verbreitet, notiert, weitergibt, aufschreibt, in eine Datenbank überträgt.
Es ist zugegeben aktuell noch ein wenig schwierig einen Gleichstand zu erreichen, da schlichtweg mehr männliche Zitate im Internet zu finden sind und man die weiblichen gezielt suchen muss. Aber es sorgt auf eine feine Art und Weise für einen Ausgleich, Schritt für Schritt, Wort für Wort.
Auf midesign gibt es seit mehreren Monaten abwechselnd jede Woche einmal ein weibliches und einmal ein männliches Zitat (und man kann sich die auch ganz bequem ins Haus liefern lassen).
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das noch niemanden aufgefallen ist. Es ist nicht viel, aber es ist ein Anfang. Es geht nicht darum mehr vom einen und weniger vom anderen publik zu machen. Sondern um schlichte, respektvolle Gleichberechtigung derer, die im Lauf der Zeit Kluges, Bemerkenswertes, Kreatives und Originelles gesagt haben, egal welches Geschlecht sie hatten.
Ein Gedanke, der gerne von anderen aufgenommen, diskutiert und bei Gefallen weiter getragen werden darf.
Der Beitrag Zitate-Gender: Haben Frauen nichts Kluges gesagt? erschien zuerst auf midesign.
